Die zweite Königsstadt, die wir besichtigen

Hier ein weiterer Auszug aus meinem Buch "Ich wollte nie nach Nepal"


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Auf geht es nach Bhaktapur:

Wir verlassen Kathmandu und sehen die Slums außerhalb der Stadt. Ilse macht mal eine gescheite Bemerkung, und zwar so laut, dass es alle hören können:
"Da leben die Menschen in den Bergen doch wie im Paradies!" und zeigt auf die Wellblechhütten auf der Wiese, durchzogen von kleinen Bächen.
"Schaut man genau hin, leben diese Menschen im Matsch?" Sie hat recht mit ihrer Bemerkung, das wissen wir alle, weil der Schmutz in den Bergen nicht nur Ilse gestört hatte. Sie hat es einmal auf den Punkt gebracht.

Manni springt auf das Thema an und erzählt noch mal von den Menschen aus den Bergen, die tatsächlich glauben, dass hier in Kathmandu das Paradies ist. Entstammen sie aber der vierten Kaste und haben keine ausreichende Schulbildung, wenn sie in die Stadt kommen, bleibt ihnen meistens nichts anderes übrig, hier in der Vorstadt, den Slums zu "wohnen". Die Einwohnerzahl wird auf 2 Millionen geschätzt. Geschätzt, wohlgemerkt! Es können durchaus viel mehr sein, weil niemand genau weiß, wie viele Menschen hier in den Slums eigentlich leben. Und ständig kommen mehr, weil auch in den Bergen die Touristenzahlen sinken, und die jungen Menschen nach Höherem streben. Sie wollen in die Stadt und studieren. Die Zeit hat sich auch hier in Nepal, besonders in den Städten schon gewandelt. Hier ist es auch mit der Partnersuche schon gelockerter, und das wissen die jungen Menschen.

Wir sind ungefähr eine halbe Stunde gefahren. Der Bus hält und Manni sagt, dass Bhaktapur 12 Kilometer östlich von Kathmandu entfernt liegt, im Straßennetz sind dies fast 30 Kilometer. Wir sollen ihm folgen bis zu einem kleinen Platz, dort wird er uns über die Bevölkerung und die Stadt erzählen. Der Weg dorthin sind keine fünf Minuten, aber er reicht, um uns sofort wieder von einheimischen Händlern umringt zu sehen. Hauptsächlich Frauen wollen uns ihre Waren andrehen.

Ich staune nicht schlecht über diese **sorgfältig restaurierte** Stadt. Wenn ich die Häuserfronten beschreiben sollte, würde ich sagen, eine verfallene Scheune an der anderen, alles mit alten, nackten Backsteinen gebaut, schief und krumm. Das Holz, was die Fenster "ziert" und aus denen die "angeklebten" Balkone in den oberen Stockwerken bestehen, ist so verwittert und alt, wie man sich das eben an alten Scheunen auf einem Dorf vorstellt. Die Häuser sind zwei-, drei- oder vierstöckig. Eine Häuserwand zur rechten ist bis zum ersten Stock weiß getüncht, allerdings erkennt man das nur noch in der oberen Hälfte. Die untere scheint mal ein Hochwasser erlebt zu haben, weil sie dreckig schwarz ist. Auch hier sind die Fenster im Erdgeschoss oft so groß wie ein Garagentor. Dahinter befindet sich ein Laden oder aber eine Handwerkszunft ist hier zu Hause. Manchmal dient der Platz vor dem "Fenster" als Auslage und der Raum dahinter als Vorratslager. Manchmal gibt es auf einer Straßenseite eine Art Bürgersteig, der aber oftmals auch mehrere Stufen hoch ist. Allerdings läuft dort keiner, weil man sonst über die ausgelegten Waren stolpern würde. Kann auch sein, dass es kein Bürgersteig ist, sondern zu den Häusern dazu gehört, oder die Menschen vereinnahmen den Platz einfach mit für sich und ihr Geschäft.

Es sind noch nicht sehr viele Menschen von den zurzeit 130 000 Einwohnern unterwegs, vielleicht auch gut so.

Bhaktapur war früher ein "Reisdorf", ein Bauerndorf der Newari, der Ureinwohner von Nepal. Es war schon immer ein reiches Dorf, das auch heute noch vom Gemüseanbau lebt, wohl aber nicht mehr vom Reis. Heutzutage besitzt fast jede Familie hier im Ort einen Traktor, das Symbol für Reichtum, um die Felder bestellen zu können. Und tatsächlich habe ich schon zwei von den Vehikeln gesehen. Und auch hier darf man keinen europäischen Maßstab anlegen.
Diese Traktoren haben keine Motorhaube oder Karosse, sondern der Motorblock ist auf zwei kleine Räder aufgesetzt. Von da aus führt ein Gestänge mit Griffen bis hin zum Fahrersitz, der natürlich auch keine Kabine besitzt. Dieses Gestänge ist zugleich der Lenker mit Gasgriffen und Schaltung, falls es die gibt. So technisch bewandert bin ich nicht. An den Fahrersitz schließt sich die Ladefläche als Hänger an, der auf zwei größeren Rädern fährt. Insgesamt kann man sich das Ganze wie bei uns die kleinen Rasenmäher mit Hängerchen vorstellen, recht primitiv, aber wohl sehr wirtschaftlich, wie mir scheint.

Bhaktapur ist heute fast mit der Stadt Kathmandu verschmolzen und erstreckt sich über eine Fläche von 7qkm. Der Ort ist sehr fortschrittlich. Dafür sorgt der kommunistische Bürgermeister, der bereits 10 Jahre im Amt ist und wohl bei der nächsten Wahl wieder gewählt werden wird, bei seiner Beliebtheit. Er nimmt zwar 10 Euro von den Touristen als Eintrittsgeld, verwendet dies allerdings zum Erhalt der Stadt, und um sie voran zu bringen.

Besonders im Schulwesen hat er sehr viel getan. Er hat vor allem in die Auswahl der Lehrer investiert und nur gut ausgebildete eingestellt. Auch die Schuluniformen hat er eingeführt, um die Schüler im Unterricht zumindest gleich sein zu lassen. Die Schulen hier in Bhaktapur haben einen so guten Ruf, dass sogar reiche Leute von Kathmandu ihre Kinder hier zur Schule gehen lassen, was sich der Bürgermeister zum Wohle der Stadt gut bezahlen lässt. Die Eltern sind selbst verantwortlich, dass ihre Kinder hierher und nach der Schule auch zurück kommen. Wegen dem guten Ruf der Schulen haben die Kinder aus diesen Bildungsstätten Bhaktapurs in den weiterführenden Schulen der Hauptstadt und zum Studium viel bessere Chancen als andere.

Bhaktapur hat seine eigene Sprache, seine eigene Kultur, seine eigene Bauweise, den Newari-Baustil mit Innenhof und stolze Menschen. Frauen haben ihre eigene Tracht, die sie sich auch heut noch selber nähen, schwarze Sari mit rotem Band. Die Königsstadt ist berühmt für ihre Holzschnitzereien an den Fassaden, den Holzfenstern und die Töpferwaren.

Ich frage, was das an der Ecke neben uns für eine überdachte Halle ist, einfach ein erhöhtes Podest mit einem Ziegeldach, das von Holzbalken mit Schnitzereien getragen wird. Es hat geschätzt die Ausmaße 5x10m. Drei Männer sitzen in unterschiedlichen Sitzhaltungen und sehen gelangweilt aus, zwei davon scheinen sich ab und zu mit einigen Worten zu unterhalten. Manni erklärt, dass es sich hier um eine Art Rasthaus oder Wartehalle handelt, die uns hier fast an jeder Ecke begegnen wird. Hört, hört! Hier warten die alten Männer (wohlgemerkt - Männer!) die nicht mehr mit aufs Feld können, bis die Familie am Abend wieder zurück kommt.
Im Klartext: Die Menschen frühstücken gegen neun Uhr am Morgen. Danach gehen die Kinder zur Schule und die Eltern aufs Feld. Dorthin wird alles mitgenommen, Kinder, Hühner, Ziegen, Hunde, Essen, einfach alles, was lebt und alles, was man für den Tag braucht. Die Männer, die nicht mehr arbeiten können, gehen in diese Rasthäuser, können sich hier aufhalten, unterhalten und warten, bis die Familie wieder kommt. Essen bekommen sie mitgegeben, als Lunchpaket, würden wir sagen. Alte Frauen werden meistens mit aufs Feld genommen, weil sie auch dann noch nützlich sind und sich um die Kinder kümmern. Lustige Vorstellung, wie sie mit Kind und Kegel auf dem Hänger aus der Stadt ziehen.
Doch weiter im Text: Gegen 17.00 Uhr kommt die Familie dann vom Feld zurück, holt ihre abgesetzten alten Familienmitglieder wieder ab und fährt heim. Dann trinken sie erst mal gemeinsam Nepali-Tee und erzählen vom Tag. Gegen 20.00 Uhr essen sie gemeinsam Abendbrot. Was anderes als Dhal Bhat? Sie essen viel Reis und Gemüse, Reis ist billig und Gemüse haben sie selber, ist ihr Einkommen, also kostet es sie nichts. Dann unterhalten sie sich noch, während die Frauen die Hausarbeit machen und alles für den nächsten Tag vorbereiten.
Ich schreibe wie ein Weltmeister und vergesse meine Frage: Was machen die Familien im Winter, oder besser gesagt, während der Regenzeit?

Manni erklärt uns, dass es zur Zeit in Bhaktapur nicht sehr sauber ist, weil auch hier die Einwohner gegen den König protestiert, Reifen verbrannt, Blockaden gebaut und Demonstrationen in kleinerem Umfang durchgeführt haben.

Wir gehen weiter, nur ein paar Schritte, und landen nach einer Biegung um eine Hausecke in einem Innenhof, der eine einzige Opferstätte oder Tempelanlage ist. Einige Menschen halten sich hier auf, Frauen, Männer und Kinder. Mehrere Tempel mit nur einem Pagodendach befinden sich auf engstem Raum, manche vergittert, manche mit nur einem kleinen Türchen. Der eine Tempel ist mit einem Eisenzaun abgegrenzt, auf dem in gleichmäßigen Abständen Metalltellerchen angebracht sind, die für Reisopfer gedacht sind. Zum Glück ist gerade nichts angezündet. Tut mir leid, ist ja nur wegen dem Gestank von verbranntem Reis.
Eigentlich erschlägt mich hier in dem Innenhof alles, und ich kann gar nicht so schnell fotografieren, wie mich die Eindrücke überrollen. Kleine Steintürmchen stehen zwischen den Tempeln, unterschiedlich hoch und eigentlich nicht die typische Form von Stupas. In der Mitte, etwas erhöht ein anderes Teil, was nun wieder aussieht wie ein überdachter Brunnen. Außerdem stehen auch Säulen rum, auf denen unterschiedliche Dinge zu sehen sind, eine Muschel und andere Dinge, die ich nicht benennen kann. Aber auf einem besonders großen und prunkvollen sitzt eine Gottheit, mit einem Stab in der Hand und einem Baldachin über sich.

Und noch mehr gibt es zu sehen auf dem Weg durch diese seltsame Anlage. In einer Ecke sitzt ein Mann und schnitzt Holzfiguren. Er sitzt auf einem Tuch auf dem Boden, hat ein Stück Holz vor sich, das er mit einem Fuß fixiert und mit einem Meißel und Holzhammer bearbeitet. Es wird scheinbar ein Schaukelpferd werden, wie so viele andere, die schon fertig um ihn herum stehen. Manche haben Räder, manche stehen auf Kufen zum Schaukeln, manche sind farbig bemalt und manche einfach naturbelassen. Er zeigt mit eindeutigen Gesten, dass wir kaufen dürfen. Aber ehrlich gesagt, ich weiß nicht, was ich damit machen soll. Es kauft keiner aus unserer Gruppe.
In einer anderen Ecke gehören zu diesem bunten Sammelsurium zwei ausgebreitete Decken mit irgendwas Braunem zum Trocknen. Manni klärt uns auf: Das eine ist eine Pflanze, die gehackt, getrocknet und gemahlen wird und ein Currygewürz ergibt. Das andere ist Kurkuma (Ingwer), ein bekanntes Gewürz auch in unseren Breitengraden. Ich fotografiere alles, was mir vor die Linse kommt, nur bei einem Tempel, in den ich hinein fotografieren will, protestierte eine Frau mit einem blauen Tuch über dem Kopf. Ich halte mich daran, finde es trotzdem schade.

Wir verlassen diesen Innenhof durch den gleichen Durchlass, durch den wir ihn betreten haben. Ist sicher auch nur ´ne Sackgasse. Jetzt brennt allerdings eine Opfergabe Reis, und ich husche schnell vorbei. In meiner Nase ist noch gespeichert, wie es stinkt. Das muss ich nicht noch mal tief einatmen.

Manni führt uns weiter, eine Straße etwas bergauf und um mehrere Häuserecken rum. Interessante Menschen und alles andere drumherum inspirieren mich zum Fotografieren. Die Häuserfronten sind dieselben. Nur die Auslagen vor den "Geschäften" ändern sich ebenso wie die Musik, die aus manchen Läden zu hören ist. Das erste Lied kennen wir, und Manni lacht, als wir ihm sagen, dass wir es geübt haben. Es ist **Resam Piriri** und hört sich auf CD natürlich wesentlich besser an. Jetzt gerade gehe ich dicht vor einem Tisch mit CDs vorbei und höre das berühmteste Mantra **Om mani padme hum** gesungen. Es kommt mir etwas bekannt vor, weil wir es in Namche Bazar schon mal in einer anderen Aufnahme gehört haben. Ich find's toll, so richtig schöne spirituelle Entspannungsmusik. Ich muss unbedingt fragen, ob wir unbedenklich CDs kaufen und ausführen dürfen.

Wir bleiben auf einem großen freien Platz stehen, dem Dattatraya Square, dem drittwichtigsten Platz in Bhaktapur, erklärt Manni. Und hier bin ich dem Umstand "der Moderne" dankbar, denn es gibt zumindest an diesem Platz ein Straßenschild, von dem ich den schwierigen Namen abschreiben kann.

Hier auf dem Platz sehen wir sehr unterschiedliche Häuserfronten und zwei ganz berühmte alte Häuser, sagt Manni. Das erste, das er uns zeigt, ist jetzt das Polizeihaus und stammt aus dem 14.Jahrhundert. Es ist viergeschossig, wobei man schwer schätzen kann, wie hoch ein Stockwerk ist. Die Stockwerke sind gut sichtbar durch Holzbalken voneinander getrennt. Über den Fenstern, die unterschiedlich groß und unterschiedlich reich verziert sind, bildet ein breiter Holzsims den Abschluss, der breiter und wuchtiger ist, als der untere. Glas kann ich in den Fenstern nicht erkennen, sie sind mit Holzgittern versehen. Im dritten Stock ist mittig ein breiter Holzbalkon, überdacht mit einem durchgehenden Dach. Darüber ist noch mal ein Stockwerk mit kleineren Fenstern, von denen die mittleren drei miteinander verbunden sind. Vor dem Erdgeschoss befindet sich ein breites Podest. Bei uns würde man sagen eine Art Laderampe. Eine einzige Treppe ohne Geländer, auf der ganzen Breite des Hauses, führt über vier Stufen hinauf zur Tür. Die Tür steht offen, so dass man sie nicht begutachten kann. Aber bereits die Türfüllung ist ein Kunstwerk für sich und bestätigt Mannis Behauptung von der Holzschnitzkunst.

Nicht nur die Türbalken sind reich verziert, sondern auch rechts und links von der Tür sind noch weitere Holzschnitzereien ins Mauerwerk eingebaut. In Lotoshaltung sitzende Gottheiten, Tiere und andere Figuren verbinden sich mit Ornamenten zu einem eigenen Kunstwerk. Zwei Vierecke links und rechts neben der Tür, vom Boden ca. 50 cm hoch, beherbergen vielarmige Gottheiten. Dem Holzbild schließt sich ein auf dem Kopf stehender Tropfen an, der sich an den Türbalken anlehnt und nach oben hin geschwungen dicker wird. Hier kann man neben der sitzenden Göttin noch eine liegende Gestalt mit viel drumherum erkennen.
Neben der Eingangstür gibt es noch zwei weitere Türen, die allerdings nicht so reich verziert sind.

Das zweite Haus, das uns Manni auf diesem Platz zeigt, ist ebenfalls aus dem 14. Jahrhundert. Darin befindet sich heute das Holzmuseum. Ganz augenscheinlich wurden hier zumindest schon mal die Holzarbeiten restauriert. Dieses Gebäude ist wesentlich breiter, aber nur dreigeschossig. Mehrere Türen führen in das Haus, eine davon ist dreiflügelig, wie in einem Laden und ist der Eingang zum Museum. Hier führen allerdings zwei Treppen auf das Podest vorm Haus.

Und einen Tempel gibt es natürlich auch, den Dattatraya Tempel, der für alle drei Hauptgötter steht, für Shiva, Vishnu, und den dritten habe ich vergessen. Rechts und links von der Eingangstreppe sitzen zwei fette Kerle mit Turban, die den Tempel bewachen. Und ebenso stehen links und rechts zwei große Säulen, auf denen die Attribute der Götter dargestellt sind, der Dreizack für Shiva, die Muschel für Vishnu und der Hibiskus für... ich weiß nicht mehr, für wen. Natürlich für den dritten Hauptgott, ist doch klar.
Ich erinnere mich an gestern, als Manni sagte, dass es so viele Götter gibt, wie die Kuh Haare hat. Also was soll's? Es ist schon interessant, wenn man so viele Tempel auf "einem Haufen" sieht. Und alle haben ihre Bedeutung. Und hier findet sicher jedermann den richtigen Gott zum Anbeten, der ihm gefällt. Ich allerdings müsste mich erst noch etwas mehr mit dem Sinn und der Bestimmung der Götter beschäftigen, ehe ich mir einen aussuchen würde. Aber hier geht es ja nicht um mich. Trotzdem finde ich diese Freiheit toll!

Also schreibe ich nicht weiter, was der Rest bedeutet und was da noch so Tolles zu sehen ist, sondern raune Susanne ins Ohr, dass wir schnell noch ein Foto vom heutigen Polizeihaus machen wollen. Wir sprinten rüber, und ich stelle mich in die offene Tür. Oh Schreck! Ich muss in die Knie gehen, um in dem Türrahmen stehen zu können. Man, waren die Leute im 14. Jahrhundert klein! Ich kann es gar nicht fassen, und auch Susanne staunt über diese Tatsache. Und erst jetzt kann ich es so richtig erkennen, dass die Holzschnitzereien neben der Tür tatsächlich mehr als kunstvoll in Holz gearbeitet sind und dass die Balken der Stockwerke ebenfalls aufwendig verziert sind.
Anette und Peter lachen, als ich mich in die Tür zwänge. Ich würde schätzen, maximal 1,50m Höhe, mehr nicht. Das sieht man so gar nicht. Vorhin haben wir das Haus doch von Weitem betrachtet und nicht einschätzen können, wie hoch diese Tür eigentlich ist.

Ich kann nebenbei einen Blick in das Innere werfen. Hell geschrubbte Holzdielen, Tische und Stühle aus hellem Holz, mehr kann ich leider nicht in dem dunklen Raum erkennen. Hineinzugehen traue ich mich nicht. Ich denke, dass es ein Raum wie ein Wartezimmer ist, der zur Anmeldung dient.

Soweit, so gut. Die anderen marschieren weiter und wir hinterher. Wir biegen in eine schmale Seitengasse ein, die trotzdem viele Geschäfte zu beherbergen scheint. Rechts und links an den Hauswänden sind die Auslagen aufrecht angebracht. Viele Holzschnitzereien, vor allem Masken und auch Tiere sind zu sehen. **Resam Piriri** ertönt auch in dieser Gasse.

Plötzlich bleibt Manni in einem Hauseingang stehen und wartet, bis alle heran gekommen sind. Er zeigt uns am gegenüberliegenden Haus das älteste Fenster von Bhaktapur aus dem 14. Jahrhundert. Wenn sie Fenster sagen, meinen sie nie Glasfenster, so wie wir das in Europa verstehen. Ich hatte es, glaube ich, schon mal gesagt: die Fenster sind Holzgitter. Dieses hier ist das berühmteste. Ein Pfau schaut aus dem Fenster, und das Gitter bilden die zum Rad geschlagenen Schwanzfedern des Pfaus. Um diesen geschnitzten Kreis sind geschnitzte Ornamente. Die Umfassung des Fensters, quasi der Rahmen, ist ebenso aufwendig geschnitzt, und viele Pfauen sitzen übereinander und nebeneinander, an drei Seiten. Nur die Fensterbank hat keine Pfauenkörper.
Sehr schöne Arbeit, aber ich denke, dass ein wenig Lack oder Beize das Fenster wertvoller und edler aussehen lassen würde. Und ehrlich gesagt, wenn man sich in dieser Gasse ohne sachkundige Führung umschaut, würde einem das Fenster nicht auffallen.

Der Pfau ist ein symbolträchtiges Tier, ich habe aber leider keine Möglichkeit mehr, danach zu fragen, weil Manni just in dem Moment in dem Hauseingang verschwindet, in dem er eben noch stand. Gerade noch sehe ich Lutz und Anette ebenfalls in dem Haus verschwinden. Meinen Block stopfe ich schnell in die Tasche, rufe laut, dass Manni ins Haus gegangen ist, fotografiere das Pfauenfenster und spute mich, hinter den anderen her auch in das Haus zu kommen. Martin, Uwe, Manfred und Peter beeilen sich ebenfalls. Auch Dorothea und Ulrike schrecken aus ihren Betrachtungen der Auslagen hoch, in die sie gerade vertieft waren. Ilse und Detlef sind schon hineingehuscht. Nichts wie hinterher!

Was das werden soll, kann ich mir nicht zusammenreimen. Klar will uns Manni was Interessantes zeigen, aber das ist ja ein Ding! Staunend und nichts ahnend folge ich, durch Gänge, die eher an einen Stollen in einem Bergwerk erinnern. Genauso sind hier nämlich die Decken und Wände mit Balken bewehrt und abgestützt. Es geht weiter über Holztreppen, durch einen großen freien Raum, der einem Scheunenboden gleicht, vor allem was die ungleichen, unebenen Holzdielen angeht, die bedrohlich unter meinem Schritt federn. Wird doch nichts durchbrechen? Einfach abenteuerlich und unvorstellbar, was hier abgeht! Wieder geht es ein paar Stufen runter, einige Meter geradeaus und wieder Stufen hinauf, über eine betonierte Fläche, die eine Terrasse sein könnte. Ich habe keine Zeit, mich umzusehen, wo wir hier sein könnten, oder was es hier vielleicht Interessantes zu sehen gäbe. Einfach hinterher, um eine halb gemauerte, fast eingefallene Wand wieder hinein in einen Scheunenboden, bei dem die Überquerung der Bodenbretter noch gefährlicher wird, weil man durchgucken kann in das darunter liegende Stockwerk. Und sehr Vertrauen erweckend sehen diese Bohlen wirklich nicht aus und fühlen sich auch keineswegs so an. Alle geben ihren Kommentar dazu ab. Aber weil wir so weit auseinander sind, hört Manni nicht unsere Bedenken und ich nicht den Kommentar von Ilse. Schade! Susanne und ich ermahnen uns gegenseitig, aufzupassen. Da ist ein Riss, da ist ein Spalt, das Brett ist zu dünn, und so weiter. Ein abenteuerlicher Spaziergang! Wenn wir ja mitbekommen hätten, wohin wir hier stiefeln, wäre es weniger geheimnisvoll. Wieder einige Stufen hoch und wir stehen im Freien, auf einer Art Terrasse. Eine Frau macht sich hier zwischen allerhand Stapeln und anderem Kram zu schaffen. Rundherum in näherer und weiterer Entfernung Giebel und Häuserwände, bei deren Betrachtung man das kalte Grausen bekommen kann. Das hier niemand von herab fallenden Steinen oder Ziegeln erschlagen wird, ist ein Wunder. Aber vielleicht werden ja...?

Die Umrandung der Freifläche wird zum einen von der Hauswand mit Durchlass gebildet, aus der wir gerade getreten sind. Die anschließende Wand zur Rechten ist eine Giebelwand des Nachbarhauses, so baufällig wie schon beschrieben. Die anderen beiden Seiten sind offen und nur von kleinen, unterschiedlich hohen Mauern begrenzt. Einige bepflanzte Töpfe haben auf dem Sims Platz gefunden, eine davon ähnelt unseren Zimmertannen zu Hause. In den anderen Töpfen kann ich nichts identifizieren, das heißt, kenne ich die Pflanzen nicht. Der Blick auf die Häuser und Dächer von hier aus hält mich gefangen. Ist ja alles aus Backstein und Holz, aber das muss man ganz einfach gesehen haben. Sowas sind Ansichten, von denen ich noch nicht mal sagen kann, in welche Zeit ich sie ordnen soll. Würde zum besseren Verständnis sagen, dass diese Ansicht des Ortes natürlich dem entspricht, was man auch in den Straßenzügen sieht: Zeit noch vor dem zweiten Weltkrieg bei uns. Oder: hundert Jahre nichts getan. Einfach unbeschreiblich! Und hier laufen wir rum, wir Menschen aus einer hoch technologisierten, fortschrittlichen und entwickelten Welt. Nie im Leben hätte ich mir eine Stadtbesichtigung so vorgestellt.

Es ist schwierig, alle auf dieser kleinen Terrasse unterzubringen. Wir rücken zusammen und belagern die kleinen Gänge zwischen den gestapelten Behältnissen. Natürlich staunen wir nicht schlecht, als Manni anfängt, zu erzählen.
Hier wird noch in traditioneller Handarbeit das Reispapier hergestellt. Eigentlich ist es kein Reispapier, wird nur von den Touristen so bezeichnet. Einheimische bezeichnen es als "Nepali paper", hergestellt aus Daphne, einem Strauch aus der Familie Seidelbast, der auf Höhen über 2000m wächst. Diese manuelle Herstellung blickt auf eine 1000jährige Tradition zurück, und es wird vermutet, dass tibetische Einwanderer wahrscheinlich diese Herstellung und Verarbeitung von Seidelbast mitgebracht haben. Zur Herstellung wird die innere Rinde des Strauchs getrocknet, klein geschnitten, gewässert, gekocht und die entstandene Masse zu Brei gestampft. Dieser Brei wird während dem Kochen mit Farbe versetzt und kommt dann dünn in einen mit Tuch bespannten Holzrahmen. Das Wasser kann ablaufen, der Brei wird fest und trocken. Danach wird es gewalzt und in Formen geschnitten, damit es weiter verarbeitet werden kann.

Manni erklärt alles anschaulich und zeigt uns die Details, von der Pflanze über den Brei und die Rahmen bis hin zu den getrockneten "Brettern", die dann das Papier werden. Die Frau lässt sich von seinen Ausführungen nicht stören und arbeitet unbeeindruckt weiter, lacht immer mal mit ihm, wenn er scheinbar einen Spaß macht. Sie ist über eine große Wanne gebeugt, rührt in diesem schwarzen Brei, der mal Papier werden soll, füllt ihn mit den Händen in Holzformen, die aussehen wie Handrüttelsiebe früher. Wir sehen hier draußen fast alle Fertigungsstufen: den Seidelbast, das heißt, das Innere der Rinde vom Seidelbast, den Brei, die Holzrahmen, deren Leinenbespannungen an einen gestreiften Liegestuhl erinnern (sieht man aber nur, so lange die Form sauber gewaschen ist und auf den nächsten Brei wartet), den nassen Brei in der Form, aufeinander gestapelt zu hohen Türmen, den getrockneten Brei in den Formen und die dünnen Brei-Bretter, fein säuberlich gestapelt und in Bündeln zusammen gebunden, nachdem alles luftgetrocknet ist. Soweit, so gut. Hier sehe ich nur schwarze Bretter. Wie kriege ich weißes Papier?

Ich kann nicht fragen, weil Manni mit seinen Ausführungen am Ende ist und schon wieder los geht, um uns die nächste Verarbeitungsstufe zu zeigen. Ich erspare mir die Beschreibung des Rückweges. Auf jeden Fall ist es ein anderer, aber nicht weniger abenteuerlich. Maschinen und zwei Männer begegnen uns. Ich vermute, dass es sich hierbei um die Walzen und die Schneidemaschinen handelt, mit denen das Papier gewalzt und geschnitten wird. Auf jeden Fall ist es auch hier, obwohl mit Motor betrieben, mehr Handarbeit als Maschinenarbeit. Wir werden ohne Rücksicht auf Arbeitsschutz oder Unfallgefahr durch die "scheunenartigen" Werkshallen geführt.

Wir landen auf einem Dachboden, bei dem zumindest die Wände gemauert sind. Zwei Sprossenfenster sind im Giebel, von denen ich nicht sagen kann, ob das Tageslicht, das hindurch dringt, durch Glas, Plexiglas oder Folie tritt. Auf jeden Fall ist es hell. Zwei Reihen Tische sind mit Frauen besetzt, die Papier schneiden, falten und kleben. Heraus kommen Weihnachtskarten in unterschiedlichen Formen und Gestaltungen. Also hier stehen wir in der Werkstatt, in der das Nepali-Papier verarbeitet wird. Es ist April, und es wird zum Weihnachtsfest gerüstet. Zumindest in diesem einen Punkt kommen sie Europa sehr nahe. Schon grotesk! In den Regalen liegen bündelweise Blätter für Adress- und Telefonregister, Kalender- und andere Formen von Notizblättern. Manni erkundigt sich und erklärt, dass heute fünf Frauen hier arbeiten, von 9.00 - 17.00 Uhr. Sie arbeiten still, lachen natürlich, als Manni erzählt und vor allem über Vieles, was für uns unverständlich in Landessprache gesprochen wird. Manni muss für uns fragen, ob wir die Frauen bei der Arbeit fotografieren dürfen. Wir schauen ihnen über die Schulter und machen viele Fotos.

Wir folgen Manni und nehmen an, dass es hinaus geht. Jetzt hab ich mich ein wenig an den Anblick gewöhnt und schaue mich intensiver um. In einer Nische stehen hintereinander zwei braune Elefanten, die ungefähr einen Meter hoch sind. Ich hole schnell den Fotoapparat raus. Einen davon hätte ich schon gerne mit heim genommen, aber kein Mann ist bereit, einen für mich zu schleppen. Die Skulpturen sind wirklich eine Augenweide. Ich vermute, sie sind aus Ton oder anderem Stein, keine Ahnung. Meiner Ansicht nach sind es Arbeitselefanten, weil eine Kette um den Hals zu erkennen ist. Sie tragen einen reich verzierten Kopfschmuck und Sattel, nicht extra aufgelegt, sondern alles ist in einem Stück gearbeitet. Den Rüssel tragen sie nach oben, die Spitze eingerollt. Dem einen Elefanten haben sie ein riesiges Paket Seidelbastrinde auf den Rücken gepackt. Wirklich tolle Kunstwerke, die hier in der Ecke rumstehen.

An einer Wand hängen zwei überdimensional große Schöpfkellen, wobei ich mir nicht sicher bin, ob es auch wirklich welche sind. Es könnte sich auch um Musikinstrumente handeln, so ungefähr wie eine Gitarre. An dem unteren Ende ist wirklich eine Schale, die innen nur roh ausgehöhlt ist, die Außenseite aber glatt poliert. Der Stiel oder Steg ist aus dunklem Holz, mit Ornamenten verziert und verjüngt sich nach oben. Der Stiel endet allerdings in einer Art Wirbel oder Schnecke, auf dem ein geschnitzter Drachenkopf mit breitem Maul thront. Für mich hat das Ganze so den Anschein, als könnte es sich um Teufelsgeigen handeln. Mir bleibt nicht viel Zeit, weil ich sonst den Anschluss verliere.

Im Nu finden wir uns in einem Laden wieder, dem Verkaufsraum für Nepali-Papier. Wir schlendern und gucken. Natürlich muss man etwas zur Erinnerung mitnehmen, aber was? Blöcke, Notiz- und Adressbücher, Alben, Briefpapier und vieles mehr, eben alles, was aus Papier in einem Schreibwarenladen ist, gibt es hier zu kaufen. Ich entscheide mich für Lesezeichen. Alle sind am Suchen und diskutieren. Manni wartet draußen, bis alle fertig sind.

Wir biegen um eine Häuserecke und stehen auf einem riesigen Hinterhof, diesmal nicht mit Tempeln. Hier wird getöpfert. An allen Ecken und Enden stehen Tongefäße in Reih und Glied ausgerichtet nach unterschiedlichen Formen und Größen, in allen Fertigungsstufen. Manni strebt in die entfernteste Ecke des Platzes. Dort stehen jede Menge Tonschalen auf dem Boden, scheinbar zum Trocknen in der Sonne, weit mehr als hundert. Aber das ist noch nicht alles. Susanne entdeckt etwas seitlich davon einen alten Mann, der diese Schalen herzustellen scheint. Und tatsächlich. Als Susanne ihn mir zeigt, stellt er gerade eine Schale in die Reihe. Aus einem Gefäß nimmt er einen dunkelgrauen Klumpen, legt ihn in die Mitte eines LKW-Reifens, greift zu einem Stock, bringt den Reifen damit in Bewegung und gibt ihm ordentlich Schwung. Das ist seine Töpferscheibe mit Motor! Als der Reifen scheinbar genug Schwung hat, legt er den Stock beiseite und beginnt, die Tonkugel zu bearbeiten. Unter seinen geschickten Händen entsteht in ca. fünf Minuten, ohne dass er den Reifen noch mal anschubsen muss, die gleiche Schale, wie sie hier bereits in hundertfacher Ausführung steht. Das Ganze macht er im Stehen, nach vorn über gebeugt. Nur für die abschließenden Feinheiten am Rand setzt er sich auf den Stein hinter sich. Wir sind begeistert. Eine alte Frau schlendert schauend durch die Reihen und begutachtet die Ware. Kinder spielen im Hof oder fahren Fahrrad. Manni plaudert mit einem jungen Einheimischen. Niemand stört sich an uns. Gern würde ich zur Erinnerung eine Schale mitnehmen, aber leider sind sie viel zu groß. Schön, so was gesehen zu haben. Ob alle Touristen hierher geführt werden?

Wir verlassen die Hinterhofwerkstatt der Töpfer, und wen wundert's, dass wir wieder vor einem Tempel stehen, diesmal aus Backstein. Dieser heißt Nabhadurga und ist der kräftigen Göttin Durga geweiht. Er stammt aus dem 15. Jahrhundert, wurde allerdings im 19. Jahrhundert grundlegend restauriert, und man ist der Meinung, dass man ihm dabei auch diese Steinfassade verpasst hat. Die wertvollen Fenster mit Schnitzereien hat man erhalten und versucht, in das Bauwerk wieder mit einzubeziehen. Manni zeigt uns ein sehr interessantes Fenster aus der Gründungszeit, auf dem das Leben der Menschen und die Feier des jährlichen Neujahrsfestes dargestellt sind. Für mich ist allerdings nur zwischen aufrechten Säulen vor einem vergitterten Hintergrund ein mehrstöckiger Wagen erkennbar, an dem auf beiden Seiten kleine Männchen ziehen. Mit Sicherheit sehr wertvolle Schnitzereien, wie sie hier überall zu sehen sind, mit dem Unterschied, dass dies aufgearbeitet worden ist. Man muss ohnehin staunen, dass es hier scheinbar keine Probleme mit Holzwürmern gibt.

Wir wandern weiter, durch schmale Gassen, auf Trampelpfaden durch Gartenanlagen, an großen, gemauerten Wasserbassins mit schmutzig grünem Wasser vorbei, schlüpfen durch einen Mauerdurchlass, finden uns in einem "Rasthaus" wieder, in dem wir uns ducken müssen, so niedrig ist es und stehen wieder auf einer Straße, der wir nach links folgen. Mittlerweile sind viel mehr Menschen unterwegs, Händler mit Fahrrädern verkaufen da, wo sie stehen, andere sitzen zwischen ihren Auslagen auf den Stufen vor den Häusern. Die Häuserfassaden sind so vielfältig, aber nur bei ganz wenigen ist zu erkennen, dass sie in den letzten zwanzig Jahren mal renoviert wurden.
Manni erklärt, dass seit dem letzten großen Erdbeben 1934 einige Häuser noch nicht restauriert wurden. Das erklärt doch alles, oder? Aber eigentlich sieht es eher so aus, dass man es andersherum sagen müsste: einige sind bisher restauriert worden, und die haben wirklich Seltenheitswert. Ich fotografiere mal hier ein neues Haus zwischen Ruinen, mal dort eine neue Tür oder ein neues Fenster. Ich frage nach den Bassins mit Wasser, von denen ich nun schon das dritte gesehen habe. Er sagt, dass Bhaktapur keine Wasserleitung hat, dass diese Bassins mit Wasser für den ganz großen Notfall dienen. Aber eigentlich herrscht hier immer Wasserknappheit, darum haben alle Tanks, die aus Brunnen gefüllt werden. Also das gleiche wie in Kathmandu.

Aus einem Fenster höre ich Kinderstimmen. Ich schaue hinein und bedeute Susanne, zu stoppen. Ich schaue in einen Klassenraum und habe sofort die Aufmerksamkeit der Kinder. Ich grüße freundlich mit "Namaste" und mache meine Verbeugung dazu. Die Lehrerin sagt etwas, und schon tönt es im Chor "Namaste" zurück. Die Kinder sitzen zu zweit an einer Bank, Mädchen und Jungen gemischt. Ich habe sofort den Eindruck einer russischen Schule. Sie tragen Schuluniformen, wie uns Manni gesagt hatte, weißes Hemd, brauner Schlips, graue Hose mit Bügelfalte, die bis an die Knie reichen. Kniestrümpfe komplettieren das Bild. Leider kann ich nicht erkennen, was sie an den Füßen tragen, aber ich gehe mal davon aus, dass es keine Badelatschen sind, die ja hier die allgemeine Fußbekleidung bilden. Die Haare, durch die Bank weg tiefschwarz, ordentlich gekämmt und die Mädchen mit Zöpfen und weißen Haarschleifen, was eben den Eindruck russischer Mädchen in mir hervorgerufen hat. Alle tragen einen Ausweis am Band um den Hals, der ihr Passbild und sicher den Rest ihrer persönlichen Daten trägt. Wahrscheinlich der Schulausweis.
Ich zeige der Lehrerin meinen Fotoapparat und deute an, dass ich fotografieren möchte. Sie hat nichts dagegen, wie ihre Handbewegung zeigt. Ich krame aus meiner Hosentasche eine handvoll Luftballons, gebe den beiden Kindern, die mir am nächsten stehen, einen davon und reiche den Rest der Lehrerin. Sie bedankt sich, sagt ein paar Worte, und schon stehen die Kinder stramm und bedanken sich im Chor. Andere aus unserer Gruppe sind noch hinzu gekommen und machen ihre Fotos. Wir winken, die Kinder winken zurück, die Lehrerin verneigt sich mit zusammengelegten Händen. Das war aber mal eine Abwechslung für uns und sicher auch für die Kinder.

Weiter geht es. Mitten auf der Straße steht eine Skulptur wie ein Springbrunnen, ohne Wasser. Er ist rund, hat aber mittendrin einen Teil mit vier Seiten. Jede Seite zeigt eine sitzende Buddhastatue, die auf jeder Seite ihre Hände anders hält. Wieder ist überall die rote Farbe zu sehen.
Während ich diese vier Statuen fotografiere, hält hinter uns ein Motorrad. Ehe ich soweit bin, kann ich nur noch den Polizisten auf dem Motorrad fotografieren, wie er wegfährt. Ich frage Manni, was er wollte, denn ich konnte beobachten, dass er was aus der Tasche geholt hatte und der Polizist auf dem Motorrad sich damit zufrieden gegeben hat und weiter gefahren ist. Es war eine mobile Streife, die durch die Stadt fährt und kontrolliert, ob Eintritt bezahlt worden ist. Manni hatte ihm die Eintrittskarten vorgezeigt.

Wir betreten ein Haus, von dem ich auf dem Schild lesen kann, dass es sich um eine traditionelle Thanka-Malschule handelt, weil sie so pfiffig waren, es auch in Englisch auf ihr Schild zu schreiben. Wir gehen an der Ladentür vorbei, steigen Treppen hoch und können vom Flur aus in Räume sehen, in denen gemalt wird. Die Türen stehen offen. Wir betreten einen großen hellen Raum, in dem mehrere Malplätze zu erkennen sind. Ein dünnes Stoffkissen liegt auf dem Fußboden, davor steht ein Thanka wie eine Tafel aufgestellt, und viele Malutensilien liegen rechter Hand neben dem Kissen. Vier Plätze sind besetzt, zwei sind leer. Allerdings muss hier jemand arbeiten, denn die Farbgläser sind geöffnet. Erstaunlicherweise treffen wir eine Frau bei der Arbeit an.
Die Malenden sitzen im Schneidersitz auf den Kissen auf dem Fußboden, lassen sich durch uns nicht stören, arbeiten konzentriert an ihren Werken. Manni erklärt uns wieder viel zu den Techniken dieser Malerei. Bei der Frau, die schon fünf Jahre malt, zeigt er auf einen kleinen Ausschnitt im Dekoltè der weiblichen Gottheit und erklärt, dass für diese kleine Stelle über 5000 Pinselstriche notwendig sind. Wir dürfen fotografieren und schauen den Leuten über die Schultern. Ein Mann paust sich gerade seine Vorlage ab, alles kleine sitzende Buddhas, zehn in einer Reihe, dreizehn übereinander. In der Mitte sitzt ein großer Buddha in einem Kreis aus Ornamenten. Ein Anderer malt bereits an diesem Bild, allerdings auf dunklem Hintergrund, und die Buddhas malt er mit feinen Goldstrichen. Ein dritter sitzt vor einem Mandala, das mit Gold und Hellblau auf schwarzem Grund gemalt wird. Es wird viel mit Gold gemalt, scheinbar sind dies hier keine Schüler mehr. Was die Arbeitsplätze angeht, muss ich sagen, dass sie nicht gerade sorgfältig mit Pinsel und Farbe umgehen. Die Pinsel werden nicht immer in dem Kasten abgelegt, und die Farbe landet auch auf dem Fußboden statt auf dem Bild. Ich mache natürlich auch davon ein Foto.

Wie die so lange auf dem Boden sitzen können? Ich könnte stundenlang stehen bleiben und zuschauen. Aber Manni scheucht uns auf, und wir steigen die Treppe wieder hinab, nicht ohne unsere Köpfe mal in diesen, mal in jenen Raum zu stecken, wenn die Türen schon offen stehen. Wir werden in den Verkaufsraum geführt, der viereckig ist und kein Tageslicht hat. Alle Wände sind bis obenhin voll mit Thankas, das heißt, was daraus geworden ist. Ein Mann, dem Manni die Hand reicht, scheint der Chef des Ladens zu sein.
Hier sind wir genau richtig, wenn wir ein hochwertiges und wertvolles Thanka kaufen wollen, sagt Manni. Wir sollen uns Zeit nehmen und mit dem Inhaber verhandeln. Bezahlt werden kann auch mit Visa-Karte. Auf dem Tisch steht ein Telefon, und viele polierte Steine liegen daneben, darüber hängen Lampen, die fast ausschließlich den Tisch ausleuchten, wie man es von Billardtischen kennt. Der Mann beginnt, aus dem Regal hinter sich Rollen zu ziehen, sie vor uns auszubreiten und an den vier Ecken mit eben diesen polierten Steinen zu beschweren. Er reicht uns Lupen, damit wir die Feinheit der Arbeiten ansehen können. Wir fachsimpeln und diskutieren. Die Preise beginnen bei 100 Euro ungefähr. Er versteht Englisch, was die ganzen Verhandlungen natürlich vereinfacht.

Ich gebe keine Obacht auf die anderen und weiß auch nicht, wer sich etwas gekauft hat. Ich glaube, Lutz hat sich was geleistet. Auf jeden Fall hängen alle über dem Tisch, schauen die Arbeiten durch Vergrößerungsgläser an und wir benehmen uns wie echte Profis. Ein schönes Gefühl, weil wir als Kaufwillige ernst genommen werden, und man nicht das Gefühl hat, übers Ohr gehauen zu werden. Ich frage Jürgen, was er zu einem Thanka mit dem Leben Buddhas sagt. Das ist das Motiv, was mir am besten gefällt. Wir lassen uns welche zeigen, verhandeln, rollen zusammen, rollen auf und wieder zusammen, bis wir eins mit rot als Hauptfarbe und wenig gold gefunden haben, das er uns für 40,00Euro verkauft. Ich weiß nicht, ob es ein Schnäppchen von hoher Qualität ist, so wie es der Chef sagt. Für uns ist es ein handgefertigtes Erinnerungsstück an Nepal, das zu Hause einen würdigen Rahmen bekommen wird.

Ein tolles Kauferlebnis. Wir verlassen immer noch diskutierend das Geschäft und folgen Manni schwatzend. Er bleibt mit uns auf dem Nyatapola Platz stehen, und auch hier hilft mir mal wieder ein Straßenschild. Ein Junge stellt sich neben mich, als ich mir eilig auf meinem Block Notizen mache. Er staunt und lacht und hat scheinbar seinen Spaß daran, wie oder was ich schreibe. Susanne muss das Spielchen fotografieren. Er weicht mir nicht von der Seite, und ich habe Probleme, mich auf das, was Manni erzählt, zu konzentrieren, weil jetzt auch die anderen flachsen, die es mitgekriegt haben. Und alle haben wir unseren Spaß an Lutz, der wieder diese Frau neben sich hat, die ihm schon seit heut früh immer wieder über den Weg läuft. Sie will ihm ein Käppi verkaufen, doch er will nicht so richtig.

Wir stehen vor dem Nyatapola Tempel. Er ist der höchste und größte Tempel von Nepal. Fünfgeschossig misst er vierzig Meter. Allerdings weiß ich nicht, ob mit den fünf Sockeln oder nur die Pagode des Tempels 40 Meter hoch ist. Die fünf Backsteinsockel, auf denen der Tempel gebaut ist, haben schon jede für sich eine Höhe von ca. zwei Metern. Die Sockel sehen aus wie überdimensionale Treppenstufen, die nicht nur zwei Meter hoch, sondern auch ungefähr zwei Meter breit sind. Man kann auf jeder Stufe um den Tempel laufen. Mittig ist eine normale Treppe, die bis hinauf führt. Rechts und links dieser Mitteltreppe sitzen mannshohe Figuren auf Sockeln, die natürlich ihre Bedeutung haben. Manni verrät sie uns. Allesamt sind Wächter dieses Tempels. Unten sitzt der Mensch, darüber der Elefant, der zehn Mal stärker ist als der Mensch. Darüber sitzt der Löwe, der zehn Mal stärker ist als der Elefant, dann der Drachen, der wiederum zehn Mal stärker als der Löwe ist. Und zu oberst sitzt eine Gottheit mit vielen Armen, die noch zehn Mal stärker als der Drache ist. Da dieser Platz sehr weiträumig ist, gibt es wunderschöne Fotos von diesem berühmten Tempel.

Nur ein Stück weiter bleibt Manni wieder stehen und zeigt uns auf einem wesentlich kleineren Platz, den Shiva Tempel aus dem 17. Jahrhundert, in dem auch heute noch Blut geopfert wird. Das wollen wir ja nun nicht unbedingt sehen. Manni beruhigt uns, dass dies nur zu bestimmten Zeiten geschieht. Übrigens ist dieser Tempel auch aus Backsteinen, allerdings noch nicht restauriert. Und Tauben gibt es hier massenweise. Habe heute aber noch keinen Kommentar von Ilse dazu gehört. Wir stehen auf dem Taumadhi Platz und beobachten das Treiben der Leute. An der öffentlichen Wasserstelle tummeln sich nur Frauen, die Kanister füllen und sich damit abschleppen. Die Männer sitzen vor ihren Auslagen oder irgendwo anders rum, spazieren mit den Händen in den Taschen umher oder schwatzen an irgendeiner Ecke. Sie sieht man eigentlich nie arbeiten, höchstens verkaufen oder mit ihrem Treckerchen umherfahren. Lutz kauft nun endlich das Käppi und setzt es sich auch gleich auf.

Manni fordert uns auf, ihm ins Restaurant zu folgen. Na, da bin ich nun aber doch gespannt. Den ganzen bisherigen Weg durch die Stadt habe ich mich schon gefragt, wo man hier was halbwegs Sauberes und Genießbares zu essen kriegen soll. Wir staunen nicht schlecht, als er mit uns in ein Gebäude fast mitten auf dem Platz geht. Nicht in irgendeines, sondern in das, was ich für den nächsten Tempel gehalten hätte. Ein Restaurant im Pagodenstil, bei dem auf dem ersten Dachabsatz mindestens die Hälfte der Dachziegel fehlt. Das kann Manni nun aber nicht auf den Generalstreik schieben.
Und tatsächlich hängt ein Schild am ersten Überdach, dem die Ziegeln fehlen: "Cafe Nyatapola". Innen steigen wir eine steile Stiege hinauf und betreten den Gastraum, der nur wenige Tische beherbergt. Manni geht mit uns hinaus auf die umlaufende Terrasse aus Holz, die nur so breit ist, dass man sich nur einzeln an die Holztische setzen kann, die an der Brüstung stehen. Also setzen Jürgen und ich uns gegenüber an einer Ecke, so dass Susanne den nächsten Tisch nehmen kann und wir quasi doch dicht zusammen sitzen. Peter setzt sich zu Susanne und Lutz auf einen Balken an der Innenwand, der eine Art Sitzbank bildet, ihnen gegenüber. Allerdings muss er jedes Mal seine Beine verknoten, wenn der Kellner durch will. Mehr Platz ist nicht, man kann quasi im Sitzen die Wand zum Innenraum berühren und hat auf der anderen Seite die Brüstung vom Balkon neben sich. Etwas gequetscht, aber dafür schöne Aussicht von hier oben.

Es dauert nicht lange, die letzten haben noch gar nicht ganz Platz genommen, bekommen wir schon die Karte gebracht. Sie ist auf Nepali Papier gedruckt und hat ein tolles Deckblatt, das ich fotografiere. Wir drei nehmen Sprite aus der Flasche, da kann man nichts verkehrt machen. Beim Essen aussuchen ist uns nicht ganz wohl zumute, denn Uwe erzählt uns, dass er sich in diesem Restaurant damals die Lebensmittelvergiftung mit einem Nudelgericht zugezogen hatte. Wir bestellen uns Nudelsuppe mit Huhn für 105 Rupien und hoffen, dass alles gut geht.

Bis das Essen kommt, erzählen, fotografieren und schauen wir. Es könnte uns wesentlich schlechter gehen, so Dorotheas passender Kommentar. Interessant, das Leben von oben zu betrachten, die Menschen, die unterwegs sind, der Mann, der zwei Ziegen am Strick hinter sich herzieht, der Junge, der einen Reifen über den Platz rollen lässt, die Frauen, die schwatzend am Wasserplatz stehen, die Händler, die auf den Stufen sitzen. Schilder auf Englisch verraten, was es drinnen gibt. Allerdings hängt ein großes Schild über einem wirklich heruntergekommenen Haus, auf dem steht "Namste Cyber Cafe" - kaum zu glauben.

Und was man von oben ganz deutlich sieht: nicht nur hier auf dem Dach wären Ziegeln notwendig. Damit hapert es wohl allgemein. Also über das bauliche Desaster kann sich kein Europäer ein Bild machen, auch dann nicht, wenn er schon in Rumänien oder Ungarn war. Hinzu kommt noch, dass es hier so viele Kunstwerke gibt, die darauf warten, gewürdigt zu werden, und das nicht nur von den Touristen. Auch Bhaktapur gehört zum UNESCO Weltkulturerbe und dem jetzigen Bürgermeister ist sicherlich schon viel zu danken. Aber wenn man den baulichen Zustand der Häuser, die eigentlich nicht mehr bewohnbar sind, mit einem Erdbeben entschuldigt, das schon über 70 Jahre her ist, läuft wirklich was schief. Soviel noch mal zu der **sorgfältig restaurierten Stadt**, wie es im Stadtführer steht. Sie ist ohne Zweifel sehenswert, aber ich glaube, nur die Touristen wissen, über welche Schätze die Menschen hier verfügen. Der Eintritt hat sich auf jeden Fall gelohnt und hilft vielleicht wieder ein Stück weiter.

Unsere Nudelsuppe schmeckt einfach köstlich. Alle loben ihre Auswahl. Uwe nimmt diesmal auch eine Suppe. Mittlerweile scheint auch die Sonne, eine leichte Briese lässt die bunten Stoffstreifen über uns im Wind flattern. Auf dem Weg nach unten werfe ich einen Blick durch mein Kameraobjektiv in die Küche, die hinter einem kurzen Vorhang verborgen ist. Es reicht, was die Kamera eingefangen hat. So ist es eben hier, und man hofft immer, dass sauber gearbeitet wird, damit uns nichts passiert.

Wir kommen zum Pottery Platz, wobei man schon vom Wort ableiten könnte, was hier zu finden ist. Pott kommt von Topf und töpfern. Genau, hier stehen wir auf einem freien Platz, wie vorhin schon einmal. Allerdings sind hier viele Leute am Arbeiten. Die Töpfe, Schalen und Krüge sind so vielfältig in Form und Größe und stehen immer in Gruppen angeordnet aufgereiht auf riesigen, auf dem Boden ausgebreiteten Matten. Frauen sitzen dazwischen und machen sich daran zu schaffen. Es könnte sein, dass sie die Gefäße in Farbe oder Lasur tauchen. In "Fenstern" sitzen Männer und arbeiten an ihren Töpferscheiben, die sie mit dem Fuß antreiben, also schon fortschrittlicher als der Mann heute Vormittag. Und hier mal wieder Ilses Kommentar, da sie unmittelbar neben mir steht.
"Diese Vasen sind alle gleich. Eine sieht aus wie die andere, nicht so schief, wie heute morgen die Schalen. Der hier hat bessere Arbeitsbedingungen als der heute Morgen mit seinem Autoreifen." Ich schreibe es mir auf und stecke meinen Block weg.

Dafür nehme ich meinen Fotoapparat und mache Bilder von einem alten Herrn mit Kopfbedeckung und einem jungen Mann in T-Shirt und Jeans. Beide lassen sich nicht stören, der ältere Mann schaut mal auf, aber macht keine abwehrende Geste, also darf ich. Wir verlassen den Platz an einer anderen Seite und stolpern fast über einen Opferstein mitten auf dem Weg. Ein Stück betonierte Fläche im Pflaster, darauf eine Schale mit Reis, verstreuter Reis und Blütenblätter und die dazugehörige rote Farbe.

Einige Straßen und Geschäfte weiter stehen wir auf dem Durbar Sqare, dem berühmtesten Platz von Bhaktapur. Er wurde von einem König gebaut, samt dem Palast und den umliegenden Tempeln. Den Namen verpasse ich, mache aber schnell ein Foto von ihm, weil man ihm hoch über dem Platz ein Denkmal geschaffen hat. Dort sitzt er auf einer Säule im Schneidersitz und schaut auf sein Werk. Er war ein großer Dichter und Architekt. Der Palast wird restauriert und ist momentan eingerüstet. So können wir nicht sehen, woher er seinen Namen hat. Er soll schöner sein, als der in Kathmandu und hat sehr viele Fenster, weswegen er auch der "55-Fenster-Palast" heißt. Er hat als einziger Palast ein goldenes Tor aus dem 17. Jahrhundert, mit der wohl bekanntesten Metalltreibearbeit im Tal. Tor ist eigentlich untertrieben, ist eher ein Portal. Ein ca. drei Meter breiter Zwischenbau aus rot gestrichenen Backsteinen und einem goldenen Dach mit geschwungenem Glockenspiel aus Metall darauf bildet den Eingangsbereich, in dem mittig das goldene Tor prangt, nicht breiter als eine normale Tür. Leider ist die Tür offen, so dass ich das Türblatt nicht beschreiben kann. Die Türumfassung ist aber ebenso sehenswert. Links und rechts sitzen Gottheiten übereinander. Den oberen Abschluss bildet ein Halbrund, wie es über vielen Fenstern und Türen zu sehen ist. Aber dieser Überbau ist noch aufwendiger gestaltet und hat, für Metall natürlich erstaunlich, sehr detaillierte Darstellungen von Tieren und Ornamenten. In der Mitte sitzt die Göttin Dalesu, der ein Tempel im Inneren der Mauern geweiht ist. Sie ist sehr stark und hier mit tausend Armen dargestellt. Zählen lohnt sich nicht, aber es sind augenscheinlich viele Arme. Der Palast beherbergt heute ein Museum.

Wir folgen Manni in das Innere des königlichen Palastes. Drinnen sind wir allerdings nicht im Palast, sondern dürfen nur im Innenhof wandeln. Über eine Treppe erreichen wir das königliche Bad, ein Wasserbecken mit grünem Wasser, das einige Etagen tiefer liegt. Ein betoniertes Bassin, rundherum mit Mauern, zwei Treppen führen hinab. Viele Schlangenköpfe ragen von der Mauer und ein besonders großer steht aufrecht im Wasser und überragt den Rand des Beckens, auf dem wir stehen, noch um einen Meter. Den Abschluss der Mauer zu unseren Füßen bildet rundherum der Schlangenkörper, der an jeder Ecke einen Kopf in die Höhe steckt. Es ist die Kobra, die Beschützerin des Königs. Um dieses ganze Ensemble des Königsbades verläuft noch eine zwei Meter hohe Backsteinmauer, um den Sichtschutz komplett zu machen. Dieses Königsbad wurde bereits vor drei Jahren im Auftrag des Bürgermeisters restauriert.

Manni informiert uns, dass wir den Tempel für die Göttin Dalesu nicht fotografieren dürfen, weil er ein hinduistisches Heiligtum ist. Und es ist verboten, die Holzschnitzereien an den Wänden zu fotografieren (hatte gar keine gesehen), weil sie glauben, dass sie dadurch verloren gehen. Wir folgen ihm nach draußen, und ich mache mir erst gar keine Mühe, meine Aufmerksamkeit auf Dinge zu richten, die ich nicht bildlich mit heim nehmen kann. Habe ohnehin meinen Kopf voll mit all den vielen Informationen und dazu aber genügend Fotos, denen ich dann das Wissen zuordnen muss.

Wieder draußen auf dem Platz zeigt uns Manni noch den Pashupati-Tempel aus dem 15. Jahrhundert, mit vielen erotischen Schnitzereien an den tragenden Dachbalken, die vor Blitzschlag schützen sollen. Beim näheren Betrachten erkennt man überall unter dem Dach Taubenkot, sehr unansehnlich.

Und weiter geht es, nur um eine Häuserecke, und schon stehen wir wieder vor Tempeln. Manni erzählt uns, dass es vier Arten der Bauweise von Tempeln gibt: Pagode, Stupa, Sikara und den Glockenstil. Und genau hier erhebt sich ein Tempel im Glockenstil, dessen Namen ich mir gar nicht erst notiere. Wir befinden uns praktisch hinter dem Königspalast, denn man kann noch Stangen vom Gerüst sehen. Über diese Art von Gerüst darf man gar nicht nachdenken. Wir sind allerdings immer noch auf dem Durbar Platz.

Und dann gibt es da noch den deutschen Tempel, genauer gesagt, den Helmut-Kohl-Tempel. Unter diesem Namen ist er erst seit einigen Jahren bekannt. An dieser Stelle stand früher eine achteckige Pagode, die dem Erdbeben 1934 zum Opfer fiel. Jetzt steht hier wieder ein achteckiger Tempel, der den Namen Helmut Kohls trägt. Er hatte bei seinem Besuch in Bhaktapur an dieser Stelle sein Versprechen gegeben, dass mit Geldern von Deutschland dieser Tempel wieder aufgebaut werden soll. Und er hat sein Wort gehalten. Der Tempel wurde originalgetreu nach alten Unterlagen aufgebaut, neu ist nur der erdbebensichere Stahlbau. Ein Gedenkstein steht davor, auf dem in Deutsch zu lesen ist:
"An dieser Stelle stand bis zum Erdbeben 1934 ein Mandap aus dem 18. Jahrhundert, genannt der *Pavillon der acht Ecken*. In Anerkennung der hohen Baukunst Bhaktapurs überbrachte Bundeskanzler Helmut Kohl 1987 die Zusage zum Wiederaufbau als Staatsgeschenk der Bundesrepublik Deutschland an das Nepalische Volk. Die Einweihung erfolgte zum 29.01.1992, dem 10. Tag des dunklen Mondes." Interessante Geschichte.

Ein neues Haus entpuppt sich als Cafe "Shiva Guest House", und hier soll unser Treffpunkt sein. Wir bekommen eine Stunde Zeit zum Bummeln, und das tun wir auch glatt. Einige besuchen das Cafe, um sich was zu gönnen. Wir haben aber noch keinen Hunger und Durst, und so machen wir uns zu dritt auf den Weg. Das Lied **Resam Piriri** verfolgt uns auf unserem Weg. Läuft das nicht, dann hören wir **Om mani padme hum**. Was anderes scheint es nicht zu geben.

Zum ersten Mal an diesem Tag betrachte ich die Auslagen genauer. Es sind viele Töpferwaren, Metallwaren, Holzschnitzereien und andere Souvenirs. Haushaltsdinge für den täglichen Bedarf und Lebensmittel gibt es kaum. Lediglich von "fliegenden" Händlern wird Obst und Gemüse angeboten. Nun ja, wenn es auch heute noch so ist, wie Manni uns erzählt hat, sind ja viele Familien Selbstversorger. Wir besuchen einen Laden mit Gemälden und suchen uns ein gemaltes Bild vom höchsten Berg der Welt. Wir handeln und erzielen den Preis von 10,00 Euro. Einige Geschäfte weiter hören und schauen wir uns die CD mit **Om mani padme hum** mal genauer an. Und da sie umgerechnet sechs Euro kosten soll, entscheide ich mich für den Kauf. Das bleibt allerdings unser einziger Einkauf. Wir kehren schlendernd zum Cafe zurück, wo Manni wartend auf den Treppenstufen sitzt. Der Platz davor ist ordentlich gepflastert, und neben dem neuen Haus steht die Tür zum Innenhof offen, der genauso sauber und gepflegt, gepflastert und begrünt ist. Ein Foto der besonderen Art. Es geht doch! Aber sicher braucht man das nötige Kleingeld dazu.

Es ist noch Zeit, und da wir nun mal so rum sitzen, unterhalten wir uns über private Dinge. Wir kommen auf Fahrzeuge zu sprechen. Das Motorrad ist, wie schon erwähnt, mittlerweile zum Prestigesymbol der jungen Leute geworden. Es kostet ungefähr Hunderttausend Rupien, rund 12 Tausend Euro. Doch allerhand! Der Führerschein kostet rund 1000 Rupien. Manni gesteht, dass er aus Zeitmangel nie einen gemacht hat, sondern ihn sich für 5000 Rupien gekauft hat. Er hat übrigens gleich richtig zugeschlagen und sich die Fleppen für Auto und Motorrad gekauft, kann aber nur Motorrad fahren. So geht das also in diesem Land.

Es ist 13.45 Uhr, und alle sind eingetrudelt. Zeit für den Rückzug. Manni führt uns durch Gassen und Wege, gar nicht weit, dann stehen wir vor einem verschlossenen Tor. Dieser Weg zum Busparkplatz ist gesperrt. Wir sollen den ganzen Weg zurück durch die Altstadt nehmen, wozu Manni allerdings keine Lust hat. Er diskutiert und verhandelt mit dem Wachtposten, der auf der anderen Seite des Zaunes steht. Manni lässt nicht locker, und der Wachtposten ruft eine Frau in Uniform heran, mit der Manni weiter diskutiert. Dann dürfen wir passieren. Dafür wird uns das Tor nicht geöffnet, sondern ein kleines Türchen in dem Tor, ca. einen Meter hoch, aufgemacht, durch das wir einzeln hindurch kriechen müssen. Schon beklemmend, so unter Bewachung, aber auch lustig, wie sich alle da durchzwängen. Ich bleibe erst mal stehen und fotografiere fast alle bei dieser Aktion, ohne dass ich daran gehindert werde.

Nach diesem sportlichen Akt wandern wir auf dieser toll gepflasterten, leicht abschüssigen Straße außerhalb des Stadtkerns wahrscheinlich unserem Bus zu. Vor uns eine Stadtsilhouette mit alten Backsteinhäusern, alle fast gleich hoch. Ein weiteres Tor, das offen steht, passieren wir unbehelligt. Der Wachtposten sitzt gelangweilt auf einem Plastikstuhl. Sagte ich toll gepflastert, dann hätte ich besser lustig gepflastert oder so ähnlich sagen müssen. Die Straße ist zwar recht glatt, aber eher wegen dem fest gestampften Boden. Dazwischen sind völlig ungeordnet und vereinzelt Backsteine eingearbeitet, wirklich kreuz und quer. Soviel zum Pflastern.

Unser Busfahrer erwartet uns schon. Wir treten um zwei Uhr die Rückfahrt an. Den Verkehr zu beobachten ist immer wieder interessant. Vor allem die kleinen, dreirädrigen Autos sind oftmals eine wahre Pracht und zerbeult wie Blechdosen. Große LKWs mit Schnauze, wie ich sie nur noch aus meiner Kindheit kenne, fahren hier viele. Die meisten sind knallbunt angemalt, wie Zirkuswagen. Motorräder gibt's massig. Sie zwängen sich einfach überall durch. Es gibt auf dieser großen Hauptstraße sogar Elektrobusse, die von Oberleitungen gespeist werden. Neben den vielen anderen Stromleitungen vervollständigen diese Leitungen nur das chaotische Bild beim Blick zum Himmel. Dann noch ein schönes Bild, wie man es in unseren Breiten überhaupt nicht zu sehen bekommt. Ein voll besetzter Bus kommt uns entgegen, bei dem diejenigen auf dem Dach Platz gefunden haben, die sich nicht mehr in den Innenraum des Busses quetschen konnten. Ausnahmslos sitzen Männer auf dem Dach, einer hat eine Fahne bei sich. Vielleicht fahren angeheuerte Demonstranten wieder nach Hause?

Es beginnt zu regnen. Wir haben auch wieder freien Blick auf die Slums vor der Stadt. Unbeschreiblich, weil sie nah am Fluss gebaut sind. Straßen, wenn es die hier geben sollte, sind unbefestigt, und was der Regen aus den Wiesen macht, lässt sich denken.

Leider kann ich nun nicht mehr nach vorn durch die Windschutzscheibe schauen, da unser Bus nur einen Scheibenwischer auf der Fahrerseite hat, und die ist ja links. Zehn Minuten später hört es wieder auf zu regnen. In den Gärten der Stadthäuser und am Straßenrand gibt es Gummibäume, Holunder, Weiden und Monstera, alles als große Bäume. Kurz vor unserer Ankunft kommen mir die Straßen dann wieder bekannt vor, und ich weiß schon, wo wir einbiegen werden, noch bevor der Busfahrer blinkt.